Gechinger Soldaten – Vom Söldnerhandel und Kapregiment 1787

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      Liebe Forschungsmitglieder,

      hier wieder einiges von unserem Forscher-Mitglied Fritz Roller:

      Der Soldatenhandel, der sich in der Zeit nach dem 30-jährigen Krieg entwickelte, war vor allem für die Landesherren deutscher Klein- und Mittelstaaten ein lukratives Geschäft. Damals konnten kriegstüchtige junge Männer von Werbern gegen ein Handgeld zum Dienst als Soldaten verpflichtet werden. Einzeln oder in Truppenteilen überließen sie dann die Landesherren gegen Bezahlung für eine bestimmte Zeit ausländischen Staaten. Natürlich wurden die fremden Truppen dort eingesetzt, wo mit starken Verlusten zu rechnen war. Bekannt ist das Schicksal von 30 000 hessischen, in englischen Diensten stehenden Soldaten. Als die amerikanischen Kolonien (die heutigen USA) gegen das Mutterland England um ihre Unabhängigkeit kämpften, wurden die Hessen in Amerika für die Engländer eingesetzt. Nur knapp die Hälfte kehrte wieder zurück.
      In Württemberg wurde der Soldatenhandel seit Ende 17. Jh. praktiziert. So hatte der württembergische Herzog Karl Eugen 1757, ohne Einverständnis der Landstände, 6000 Württemberger gegen drei Millionen Gulden an Frankreich für den Kampf gegen Preußen abgetreten. Sie wurden teils mit Gewalt ausgehoben und waren kaum ausgebildet und ausgerüstet. Schon auf der ersten Etappe des Marsches zu ihrem Bestimmungsort rebellierten sie und viele desertierten. Der Herzog ließ darauf 16 Landeskinder standrechtlich erschießen.
      1771 verhandelte der Herzog mit der Englisch-Ostindischen Kompanie über den Verkauf von Soldaten. Das Geschäft zerschlug sich wegen Geldstreitigkeiten.
      Herder schrieb:
      „Sie sind in ihrer Herren Dienst so hündisch treu, sie lassen willig sich zum Mississippi und Ohiostrom, nach Kanada und nach dem Mohrenfels verkaufen. Stirbt der Sklave, streicht der Herr den Sold ein, doch die Witwe darbt, die Waisen ziehn den Pflug und hungern. Nun, das schadet nicht, der Fürst braucht einen Schatz.“
      Verhandlungen über den Verkauf von württembergischen Soldaten an die holländische Ostindien-Kompanie setzten dann 1784 ein. Im Frühjahr 1787 verließen die ersten 2000 von ihrem Herzog verkauften Württemberger die Heimat, um die überseeischen Besitzungen der Kompanie am Kap der Guten Hoffnung in Afrika zu schützen. Dieses „Kapregiment“ bestand aus 2 Bataillonen mit je 1 Grenadier- und 4 Fußkompanien, dazu 1 Artilleriekompanie mit 12 Geschützen “ Am 24. Februar marschierte das erste Bataillon aus Ludwigsburg ab und machte Nachtquartier in Vaihingen (Enz). Weiter ging es über Dürrmenz, Mühlacker und Lomersheim. Nach Wilferdingen, Söllingen, Ettlingen, Iffezheim, Wintersdorf marschierte das Bataillon, 898 Mann, über den Rhein nach Fort Louis. Der weitere Weg führte über Metz, Lille nach Dünkirchen und von dort mit dem Schiff nach dem holländischen Vlissingen.“
      Das Kapregiment diente 24 Jahre. Für Nachwuchs wurde gesorgt. Karl Eugen erhielt dafür über 400.000 Gulden. 1791 landete ein Teil des Regimentes im Kapland, der andere Teil in Java. Im Laufe der 4 nächsten Jahre kamen Teile des Regimentes nach Ceylon. 1806 befand sich noch ein Bataillon auf Java. Die meisten Soldaten fanden ein unrühmliches Ende in Gefangenschaft, Krankheit und Elend. Von den insgesamt 3200 Württembergern kamen 2300 ums Leben, nur knapp 100(!) sahen die Heimat wieder.
      Aus dem Amt Heidenheim kamen insgesamt 58 Rekrutierte nach Übersee. 44 von ihnen starben auf See, am Kap von Südafrika oder in Niederländisch-Indien.
      Offiziell waren die Truppen Freiwillige. Man muss auch sehen, dass es manchen Familien und Gemeinden durch den Soldatenhandel ermöglicht wurde, sich unerwünschter Personen zu entledigen, indem man sie durch Überredung oder Zwang zur Annahme des Handgeldes veranlasste. Es war Brauch geworden, ungeratene Söhne oder schlechte Haushalter unter des Herzogs Militär zu stoßen. Die meisten Rekruten aber waren junge Leute, die man einfach zur Unterschrift gezwungen hatte. Insgeheim hatte man ganze Dörfer umstellt und die jungen Burschen von der Arbeit, aus dem Bett, sogar aus der Kirche geholt.

      Aus Gechingen waren dabei:
      Fischer, Johann Jakob  *16.04.1762
      Spöhr, Jakob  *25.07.1759
      Beide sind am 19.07.1791 gefallen, also schon im Jahr ihrer Ankunft am Kap.

      Da die Mannschaft des Kapregiments zeitweilig auf dem Asperg stationiert waren, schrieb der Gefangene Schubart: 22. Februar 1787: „Künftigen Montag geht das aufs Vorgebirg der guten Hoffnung bestimmte württembergische Regiment ab. Der Abzug wird einem Leichenkondukte gleichen, denn Eltern, Ehemänner, Liebhaber, Geschwister, Brüder, Freunde verlieren ihre Söhne, Weiber Liebchen, Brüder, Freunde – wahrscheinlich auf immer. Ich hab ein paar Klagelieder auf diese Gelegenheit verfertigt, um Trost und Mut in manches zagende Herz auszugießen. Der Zweck der Dichtkunst ist, nicht mit Geniezügen zu prahlen, sondern ihre himmlische Kraft zum Besten der Menschheit zu gebrauchen.“ Das „Kaplied“ und das Gedicht „Für den Trupp“ wurden in einer Broschüre gedruckt und fanden ungeheure Verbreitung. Dazu vertonte Schubart die Verse.

       

      Kaplied von Christian Friedrich Daniel Schubart

      Auf, auf! Ihr Brüder und seid stark,
      der Abschiedstag ist da!
      Schwer liegt er auf der Seele, schwer!
      Wir sollen über Land und Meer
      ins heiße Afrika.

      Ein dichter Kreis von Lieben steht,
      ihr Brüder, um uns her,
      Uns knüpft so manches teure Band
      an unser deutsches Vaterland,
      drum fällt der Abschied schwer.

      Dem bieten graue Eltern noch
      zum letztenmal die Hand;
      den kosen Bruder, Schwester, Freund,
      und alles schweigt und alles weint,
      totblass von uns gewandt.

      Und wie ein Geist schlingt um den Hals
      das Liebchen sich herum:
      Willst mich verlassen, liebes Herz,
      auf ewig? Und der bittre Schmerz
      macht´s arme Liebchen stumm.

      Ist´s hart! Drum wirble du, Tambour,
      den Generalmarsch drein.
      Der Abschied macht uns sonst zu weich,
      wir weinten kleinen Kindern gleich;
      es muss geschieden sein.

      Lebt wohl, ihr Freunde! Sehn wir uns
      vielleicht zum letzten Mal;
      so denkt, nicht für die kurze Zeit,
      Freundschaft ist für die Ewigkeit,
      und Gott ist überall.

      An Deutschlands Grenze füllen wir
      mit Erde unsre Hand,
      und küssen sie, das sei der Dank,
      für deine Pflege, Speis und Trank,
      du liebes Vaterland.

      Wenn dann die Meereswoge sich
      an unsern Schiffen bricht,
      so segeln wir gelassen fort;
      denn Gott ist hier und Gott ist dort,
      und der verlässt uns nicht.

      Und ha, wenn sich der Tafelberg
      aus blauen Düften hebt,
      so strecken wir empor die Hand
      und jauchzen: Land, ihr Brüder, Land!
      Dass unser Schiff erbebt.

      Und wenn Soldat und Offizier
      gesund ans Ufer springt,
      dann jubeln wir, ihr Brüder, ha!
      Nun sind wir ja in Afrika.
      Und alles dankt und singt.

      Wir leben drauf in fernem Land
      als Deutsche brav und gut,
      und sagen soll man weit und breit,
      die Deutschen sind doch brave Leut,
      sie haben Geist und Mut.

      Und trinken auf dem Hoffnungskap
      wir seinen Götterwein,
      so denken wir, von Sehnsucht weich,
      ihr fernen Freunde, dann an euch;
      und Tränen fließen drein.

       

      Vielen Dank für die interessanten Ausführungen.

      liebe Grüße Kerstin

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